12
Mai
2006

Tag 7: Molwanien

Schon seit ich letzten Sommer vom gern gesehenen Gast den Reiseführer für das Land des schadhaften Lächelns geschenkt bekommen hatte, träumte ich davon, einmal dieses wundervolle Land zu bereisen. Nun lag es quasi auf meiner Strecke und ich beschloss, einen Abstecher dorthin zu machen. Den Satz "Die meisten Durchgangsstraßen haben eine Transitspur für Motorräder, Taxis und Vieh" fand ich besonders reizvoll. Dabei hatte ich allerdings nicht bedacht, dass der Anteil der Bevölkerung Molwaniens, welcher extensive Viehzucht betreibt, um ein vielfaches höher ist als der der PS-starken Zweiradfahrer. So fuhr ich also Slalom zwischen Ochsenkarren, Kuhfladen und Schweineherden und lernte auf die Art und Weise mehrere der schadhaft zahnlosen Einwohner kennen. Irgendwann machte ich Rast und musste zu meinem Bedauern feststellen, dass ich nicht die einzige war, die den Reiseführer gelesen hatte. Ganze Horden von Europäern drängten sich in der vom Verlag empfohlenen Jugendherberge. Ich tat, was sich schon vor zehn Jahren in Irland bewährt hatte: ich setzte mich in ein etwas abgelegeneres Wirtshaus und fragte, ob man mir eine günstige Unterkunft beschaffen könne. Auch der bescheidenste molwanische Wirt freut sich über einen Nebenverdienst, und so räumte mir die Dame des Hauses großzügig eine Kammer frei. Nun galt es, die Stadt zu besichtigen und sich an diversen Lukkulitäten - wie zum Beispiel den berühmten auf Hammelmöhren basierenden Nachspeisen - zu ergötzen.
Als ich vom Stadtrundgang zurückkam, war die Suzi verschwunden. Erst dachte ich, ich hätte mich verlaufen und wäre einfach in der falschen Straße gelandet, da die Innenstadt von Lutenblag ein Labyrinth aus Plattenbauten war. Ich lief die Straße, die ich für die richtige hielt, fünfmal auf und ab. Das Motorrad blieb verschwunden. Ein Blick in der Reiseführer weckte nicht unbedingt Vertrauen: "Sollte einem doch etwas abhanden kommen, empfiehlt es sich, nach dem nächsten Guardja Civilje Ausschau zu halten. Es besteht eine gute Chance, dass er und der Dieb identisch sind." Gesagt, getan. Ich suchte mir den nächstbesten Kontaktbereichsbeamten und fragte ihn höflich in akzentfreiem eilig aus dem Sprachteil der Reiseliteratur zusammengesuchtem Wiesen-Molwanisch (dass Wald-Molwanisch in Städten nicht gesprochen wird, hatte ich auch schon kapiert): "Haben sie vielleicht mein Motorrad gestohlen?". Er lachte schadhaft und sagte "Wakuz dro brugka spazibo" (wörtl. "Gott schicke dir einen kräftigen Esel"), was soviel wie "Ich habe dich verstanden, wir sind jetzt Verbündete" bedeuten sollte. Er lud mich zu einem Schnaps aus vergorener Ziegenmilch ein (man hatte mich schon vor fünfzehn Jahren auf einem Diavortrag über Tuva vor dem Zeug gewarnt, aber ich wollte es einfach selber wissen) und weihte mich in ein gut gehütetes polizeiliches Geheimnis seines Landes ein. Ein molwanischer Polizist wird nur befördert (und somit von der Infanterie bzw. den Straßenstehern in die besserverdienende Gruppe der motorisierten - und bewaffneten - Garde angehoben), wenn es ihm gelingt, von seinem sauer verdienten Geld ein Motorrad zu erwerben. Da dies rein rechnerisch unmöglich war, waren die molwanischen Polizisten dazu übergegangen, Touristen Motorräder zu stehlen. Dass meins beinahe genau 30 Jahre alt war, hatte den Dieb offensichtlich nicht abgeschreckt. Ich musste mich also auf einen Kuhhandel einlassen und irgendein brauchbares Zweirad herbeizaubern, damit der arme Kerl, der sich der Suzi bemächtigt hatte, nicht dem Beförderungsstop unterläge. Ich stellte mir vor, dass vielleicht doch der richtige Zeitpunkt gekommen wäre, die Suzi gegen einen - zugegebenermaßen zweifelhaften - ideellen Wert einzutauschen, und beschloss, eine Nacht drüber zu schlafen.

zwischenstand beim bildchensammeln

habe mal eine liste der noch fehlenden panini-WM-bildchen ins netz gehängt. wird täglich aktualisiert. tauschwütige bitte melden - ich habe auch jede menge doppelte.

Tag 6: Ürümqi

Seit den Tagen des Grundstudiums hatte ich mir gewünscht, einmal in die Urheimat der Tocharer zu gelangen. Nicht nur deshalb, weil diese die östlichste Kentum-Sprache sprachen und nachweislich blond und blauäugig waren, sondern weil ich mich grundsätzlich schon immer für vernachlässigte Randgruppen interessiert hatte. Nun also stand Urumchi auf meiner Reiseroute. Perfekt war das. Mir hatte schon jemand erklärt, dass in diesem Teil Chinas gar nicht unbedingt Reis das Grundnahrungsmittel darstellt, sondern in Fett gebratene Nudeln. Da ich Nudeln schon seit Königswinter nicht mehr gesehen hatte (über den Bundeswehrstandort in Usbekistan lässt sich ohnehin streiten, aber das, was dort derzeit an Dosenfutter aus Restbeständen der Forze Armate mit dem Verfallsdatum von 2002 an die Jungs verfüttert wird, ist einfach unverzeihlich) freute ich mich besonders darauf, mal wieder irgendetwas außer Dosenbohnen und Nato-Zwieback konsumieren zu können.
Als ob sie gespürt hätte, dass ich insgeheim beschlossen hatte, sie irgendwo in China oder der Mongolei zu verkaufen und mit dem Flugzeug über den Pazifik zu reisen, gab die Suzi in Kirgisistan und auf diversen Pässen im Tianshan-Gebirge ihr bestes. Sie ließ mich nie im Stich, und ich dankte es ihr mit ausgiebigen Ruhepausen. Urumchi ist die am weitesten vom Meer entfernte Großstadt der Welt, wofür man allerdings durch eine prächtige Gebirgslandschaft entschädigt wird. Ich beschloss, mich aus der Großstadt zu entfernen und in einem kleinen Bergdorf auf der Strecke nach Qilian Shan zu übernachten. Leider sprach dort kein Mensch etwas anderes als Uigurisch. Dabei hatte ich extra noch während der Fahrt versucht, die Paar Brocken Mandarin zu reanimieren, die ich mal während meiner Sprachlehrbuch-Sammelphase erworben hatte. Völlig umsonst. Trotz meiner fehlenden Sprachkenntnisse gelang es mir, eine sehr gastlich hergerichtete Jurte für die Nacht klarzumachen und eine leckere Speise, bestehend aus einer Art sehr scharfen Rettichs und - jawohl - gebratenen Nudeln zu bekommen. Zwei hübsch karnevalistisch gekleidete Uiguren wollten unbedingt ohne Helm eine Runde mit der Suzi durchs Dorf drehen, was ich ihnen gerne gewährte, nicht ohne vorher mein gesamtes Gepäck abzuschnallen und in die Jurte zu bringen. Die Luft war klar und es war ein warmer Frühsommerabend. Wie glücklich war ich da, als die beiden Jungs mir als Dankeschön für die Spritztour ein Sixpack Tsingtao mitbrachten. Immerhin, dachte ich - keine Einheitssprache, aber ein ubiquitäres Bier für so ein Riesenland. Der Abend war gerettet. In der Jurte roch es nach Ziegenpisse, aber nach dem dritten Tsingtao war ich mir auch dessen nicht mehr so sicher und schlief tief und fest ein.
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